Die lyrische Stimme vom Sund

Autorin Anke vom Sund spricht über Sprache, Vertrauen und neue Projekte

Im vergangenen Jahr war sie Nominierte des Literaturpreises Mecklenburg-Vorpommern: Anke vom Sund alias Anke Kuhnecke. Mit ihrem „ABC zur See“ hat sie eine Flaschenpost der besonderen Art entwickelt, voller Geschichten von Abenteuern auf See und von der Liebe. Mit dabei sind Bernds Boot, Dietmars Dreimaster, Franks Folkeboot, Haukes Holzboot und vieles mehr. Sie arbeitete als Lektorin, Redakteurin sowie im Kultur- und Wissensmanagement. Wir sprachen mit der Stralsunder Schriftstellerin über Lyrik, neue Projekte , Vertrauen und bewegende Dinge.

Wer ist Anke vom Sund?
Ich bin Autorin mit Herzblut, Lyrikerin und Geschichtensammlerin. Ich bin die, die gern zuschaut und beobachtet. Die, die spüren mag, wo es mit mir resoniert. Das können Menschen oder Orte sein. Dann kommt die Phase, wo ich es verarbeite und kompostieren lassen. So entsteht oft mein Material.

Du bist Schriftstellerin und schreibst auch Lyrik. Was fasziniert dich daran?
Ich habe mit sieben Jahren mein erstes Gedicht geschrieben. Auch später dann die ganze Pubertät durch. Zu DDR-Zeiten gab es eine gute Förderung junger Poeten. Ich erinnere mich an Sommercamps auf Rügen, wo wir stundenlang über Gedichte geredet, eigene und die anderer gelesen haben. Und früher gab es auch an jedem Bahnhof Gedichtbände zu kaufen. Heute werden die Regale im Buchhandel immer kleiner. Dabei merke ich vor allem auch in meinen Workshops, wie universal Lyrik ist. Sie geht über das Wort hinaus, berührt Menschen. Ja, Lyrik ist aus meiner Sicht komprimiertes Gefühl. Mein Anliegen war schon immer, mehr Lyrik in den Alltag zu bringen.

Vor allem mit deinem „ABC zur See“ ist dir das ja auch gelungen. Dann gibt es da noch das Projekt „Friss Liebe“. Worum geht es da?
Friss Liebe ist ein multimediales Projekt in Zusammenarbeit mit Ulle Sende. Wir kombinieren Text und Klang und andere Dinge. Ich finde es schön, immer neue Leseformate zu finden. Unter meinem Label „Fisch & Kopp“ möchte ich zusammen mit Künstlerinnen und Künstlern noch viele schöne Dinge mit Poesie in die Welt bringen. So kommt Lyrik aus ihrem Elfenbeinturm auf die Straße.

Im letzten Jahr hast du mit der Keramikerin Kathrin Beßler vom POTT-WAHL in Stralsund das Projekt „Kunst unter Leute“ ins Leben gerufen. Keramik und Poesie – wie war das?
Es war wunderbar. Wenn mein ABC zur SEE Keramik wäre, dann wäre es die vom POTT-WAHL. Wir haben mit dieser Aktion viele Leute erreicht, die sonst mit Lyrik vielleicht nicht so viel am Hut haben.

Die Aktion „KUNST unter LLEUTE“ geht in diesem Jahr weiter?
Genau. Es geht weiter. Und es wächst. Ich habe lange im interkulturellen Bereich gearbeitet und dort gelernt, dass es besser ist, nicht nur einen Stein ins Wasser zu werfen, sondern mehrere. Wellen und Ausstrahlung werden dadurch kraftvoller. Und so werden in diesem Jahr vier Autorinnen an vier besonderen Orten bei vier Stralsunder Künstlerinnen für besondere Momente sorgen. Wir arbeiten in Tandems. Los geht es am 2. Oktober um 19 Uhr mit einer Opening-Party im Stralsunder strahlwerk mit DJ, Bar, Livemusik und Überraschungen. Jeder ist eingeladen. Eine gute Gelegenheit, die Künstlerinnen kennenzulernen. Am 3. Oktober werden von 14 bis 17 Uhr zeitgleich in Stralsund vier Orte bespielt.

Du bist gebürtige Stralsunderin, hast in Berlin und Kolumbien studiert, warst hier und dort und bist erst 2020 in die Heimat nach Stralsund zurückgekehrt …
Ja, ich bin eine Reisende. Doch je mehr ich rumgereist bin, desto mehr wurde mir bewusst, wie besonders die Ostsee ist – die Boddengewässer, die Orte mit den Schiffen. Ich liebe das! Ich glaube, ich musste erst weggehen, um zu verstehen, wie sehr ich die Ostsee brauche.

Obwohl die Uhren hier etwas langsamer ticken …
Ja, manches geht nicht so schnell. Aber es ist irgendwie menschlich. Selbst wenn es ums Geschäftliche geht: Man trifft sich, trinkt Kaffee, tauscht sich aus, heckt Ideen aus. Ich finde es wichtig, sich Zeit füreinander zu nehmen – raus aus diesem „Alles-muss-ganz-schnell-und-sofort-und-pefekt-sein“. Und die Wege sind kürzer, hin und wieder auch die bürokratischen. Ich mag das!

Ein Blick in die Zukunft. Woran arbeitest du gerade?
Ich arbeite aktuell an einem Kinderbuch. Manchmal denke ich, ich bin innerlich selbst noch ein Kind, so zwischen vier und zwölf Jahren. Kinder haben meist einen ziemlich praktischen und zugleich auch komplexen Umgang mit der Welt, staunen und zaubern. Und sie reden sehr wohl und selbstverständlich über Dinge wie Verlust, Krankheiten, das Sterben. Ich höre Kindern wahnsinnig gern zu.

Schreibst du deine Sachen eigentlich am Computer oder per Hand?
Ich schreibe und kreiere grundsätzlich alles zunächst mit der Hand. Bei mir geht alles stark durch den Körper, die Hände. Ich sehe innere Bilder und die drücke ich dann aus. Das gehört bei mir zum Schaffensprozess. Der Computer kommt sehr viel später zum Einsatz.

Sprichst du Platt?
Ik liern dat. Das hat mir schon so manche Tür in Sachen Kommunikation geöffnet. Menschen und Orte an der Ostsee haben ja eine ganz eigene Geschichte und Dynamik. Manches verschwindet vor unseren Augen. Die Fischerei zum Beispiel geht mehr und mehr verloren und damit auch Sprache. Das Thema unserer Zeit ist auch Loslassen.

Macht dir das Angst?
Mir macht Angst, wenn Menschen in der Angst stecken bleiben. Ich finde es ganz wichtig, dass wir lernen, im Vertrauen zu bleiben und den inneren Frieden nicht verlieren. Das fängt ja in einem selbst an, ein versöhnlicher, friedvoller Umgang und strahlt dann nach außen. Das wünsche ich uns. Und mehr Gemeinschaft, denn in ihr stecken Kraft und Trost.
Interview: Ina Schwarz

Weitere Informationen unter
www.fischundkopp.de

 

Informationen zur Veranstaltung
KUNST unter LEUTE 2023

2. Oktober, 19 Uhr, Opening-Party
im strahlwerk Stralsund, Dänholmstraße 7

3. Oktober, von 14 bis 17 Uhr
4 Orte in Stralsund
Atelier Sarah Kunze, Fährstraße 26
Überraschungsort – Webseite weiß Bescheid!
Kompanie Kabruusch, Neue Semlower Str. 6/8
strahlwerk, Dänholmstraße 7

4 Autorinnen treffen auf 4 Künstlerinnen
Ulrike Sebert mit Sarah Kunze
Everest Girard mit Svea Gustavs
Anke vom Sund mit Doerthe Loeper
Silke Peters mit Gordana Schmelzer

Eintritt frei

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