Der Segel-Macher
1. Juli 2024Jan Wiechmann ist Chef der Dimension Sails GbR auf dem Dänholm
Die Segel, die seine Firma auf dem Dänholm fertigt, sind mittlerweile auf allen Meeren der Welt unterwegs. Genau wie er selbst: Der Stralsunder Jan Wiechmann ist nicht nur passionierter Regattasegler, sondern auch Inhaber und Chef der Dimension Sails GbR mit neun Mitarbeitern. Die sind sich einig: Ihr Chef ist ein Macher, liebt Herausforderungen und hat sich in der Szene einen hervorragenden Namen gemacht. An Aufträgen mangelt es nicht. Am 7. Juli startet der Unternehmer zu seiner nächsten Regatta. Von Frankreich geht es zunächst nach Madeira, später weiter nach Martinique in der Karibik. Natürlich unter selbstgemachten Segeln.
Wie wird man Segelmacher?
Indem man, seit man sechs Jahre alt ist, segelt und das auch beruflich immer machen wollte. Es war schon immer mein Traum und mein Plan, Segelmacher zu werden. Ich war ein Jahr lang mal Bootsbauer, weil es damals keine Ausbildungsplätze als Segelmacher gab. Aber das war nicht so mein Fall. Ein Jahr später gab es dann die Chance bei der Firma ROFIA in Rostock . Da bin ich sofort gewechselt und hab dort ab 1999 gelernt.
Was lernt ein Segelmacher während der Ausbildung?
Segelkonstruktion, Segelbauen, Segelverarbeitung, Bootsplanung, spleißen – also Tauwerkverarbeitung – im Grunde alles, was man nähen kann, außer Gardinen vielleicht.
Ah! Du kannst also nähen?
Ja, klar. Bei `ner Gardine stelle ich mich vielleicht ein bisschen düsig an, das ist mir echt zu dünn, zu klein, zu filigran – aber Bootspolster und was es da so alles gibt, sind kein Problem. Als Chef der Firma kümmere ich mich heute allerdings mehr um die ganzen obligatorischen Sachen: Kundengespräche, Montagearbeiten und leider auch viel Büro. Das, was ich nie machen wollte, muss ich heute tun. Segelkonstruktionen mache ich noch alleine. Auch den Zuschnitt, aber an der Nähmaschine sieht man mich fast gar nicht mehr.
Wer sind eure Kunden?
Eigentlich fast jeder, der ein Boot hat, sprich Bootskunden, die ein neues Segel brauchen, aber auch Werften, für die wir die Erstausstattung machen. Charterbetriebe gehören ebenso zu unseren Kunden. Uns kontaktieren auch Leute, die eine Gartenlaube oder ein Eigenheim haben und vielleicht ein Sonnensegel brauchen. Wir arbeiten in diesem Bereich unter anderem für ein Architekturbüro in Dresden, machen Sonnensegel für Kitas.
Geht es bei euren Segeln auch um Design, cooles Aussehen?
Ja auch, ich habe ein spezielles Design-Programm, mit dem ich arbeite. In erster Linie geht es natürlich um die Ansprüche des Kunden. Was hat er für ein Boot? Wo segelt er? Was ist seine Ambition? Segelt er mehr Regatten oder mit seiner Frau im Kreis. Möchte er über den Atlantik oder um die Welt segeln? Da haben wir übrigens gerade sehr viele Kunden, die mit ihrem Boot um die Welt quasi abhauen wollen.
Was ist segeln für dich?
Segeln ist für mich Freiheit. Entspannung…. Obwohl das mit der Entspannung bei mir persönlich eher schwierig ist. Wenn ich segel, segel ich Regatten. Selten bin ich nur zum Spaß raus, ich segle meistens nur Wettfahrten. Und das ist dann Adrenalin pur. Letztes Jahr sind wir die längste Regatta der Ostsee gesegelt – von Wismar bis Töre, ganz oben im Norden in Schweden. Das ist dann richtig Sport – so mit drei Stunden schlafen, dann wieder drei Stunden segeln – abwechselnd. Dauert halt sieben Tage, bis man da oben ist, am Stück.
Bist du süchtig nach segeln?
Nee. Tatsächlich nicht mehr. Das war mal so. Das Problem ist, wenn du diesen Beruf hast, dann bist du auch mal froh, wenn es in der Freizeit um andere Dinge geht.
Gib mir drei Worte, die dich beschreiben.
Mich? Boahh… Sowas kann ich ja gar nicht. Wie bin ich? Eigentlich immer gut gelaunt, zuverlässig… Warte, da muss ich meine Mitarbeiter kurz fragen. Matze, Immi, kommt mal her. Ich brauche drei Worte, die mich beschreiben…
Immi: Genialität fällt mir ein. Und er ist ein absoluter Macher. Auch ein wenig chaotisch, also diese chaotische Ordnung, die nur er selber versteht.
Matze: Herzlich. Mensch. Und er ist ein Motivator, würde ich sagen.
Wie viele Mitarbeiter gehören zu deinem Team?
Neun, davon drei Lehrlinge – sie lernen übrigens alle Segelmacher bei uns.
Wow! Klingt, als käme der Berufsstand gerade in Fahrt? Oder doch eher Flaute?
Ich sag mal so: Der Berufsstand ist im Grunde aussterbend, wie ja Handwerk an sich. Wir haben halt das Glück, dass wir viele Nachfragen haben. Bei uns wollen viele lernen. An Lehrlingen hapert es deshalb nicht. Ausgebildete Fachkräfte sind eher unser Problem.
Seit wann gibt es die Firma?
Die Firma gibt es seit zwölf Jahren. Ich habe die Firma mit aufgebaut und bin seit drei Jahren der Inhaber. Der Alltag ist nie gleich. Jeder Kunde, jeder Auftrag ist anders. Zu uns kommen Menschen aus allen sozialen Schichten: Vom Professor zum einfachen Arbeiter. Und im Grunde ist alles, was wir bauen, individuell – es sind Einzelanfertigungen. Ich schätze diese Abwechslung und Nähe zum Kunden. Bei Booten geht es oft um Herzblut und Hingabe. Wir verstehen das. Mittlerweile haben wir weltweit Menschen, die uns vertrauen. Klar, hat sich halt in der Szene rumgesprochen, dass ich selber segel und mein Fach auch aus dieser Perspektive beherrsche.
Hast du dir dein Leben inklusive Traumberuf so vorgestellt?
Oh, ganz schwierige Frage. Im großen und ganzen ja. Mit ein bisschen mehr Freizeit vielleicht. Im Moment ist einfach viel zu viel Arbeit. Wir sind enorm gewachsen in den letzten drei Jahren, haben wahnsinnig viel aufgebaut. Vor allem auch mit Hilfe meines tollen Teams – ohne das dies alles gar nicht möglich wäre. Und doch bleibt immer was auf der Strecke. Im Moment Familie und Freizeit. Zufrieden und dankbar bin ich trotzdem.
Interview mit Ina Schwarz
Dimension Sails GbR
Liebitzweg 9, Dänholm
18439 Stralsund
Telefon: 03831/289 228 4
Geschäftszeiten: 9 bis 17 Uhr
www.dimension-sails.net