„Jeder muss selbst zu einer Bewegung werden“

Tourismus-Tagung in der Hochschule Stralsund mit klarer Botschaft

Sie arbeiten an den schönsten Plätzen dieser Welt: in Europas Museum des Jahres, an Kreidefelsen, an Universitäten, auf Flughäfen und in Wolkenkratzern. Was alle gemeinsam haben: ein Tourismus-Studium an der Hochschule Stralsund. Seit 25 Jahren gibt es die Bachelorstudiengänge International Management Studies in the Baltic Sea Region (BMS) und seit 20 Jahren Leisure and Tourism Management (LTM) sowie seit zehn Jahren den Master-Studiengang Tourism Development Strategies (TDS). Und das wurde am 11. Juni mit mehreren hundert Gästen gefeiert – auf dem Campus, in der Brasserie und auf der Hafeninsel. Im Rahmen der Feierlichkeiten veranstalteten TDS und LTM die Konferenz „Gelebte Nachhaltigkeit im Tourismus“ im Auditorium maximum der Hochschule. Moderiert wurde sie von Prof. Dr. Jan Pierre Klage, Studiengangsleiter für TDS und LTM. „Mobilität und Konsum dürften die westliche Welt nach dem Krieg wieder antreiben, wenn sie aus der Corona- und Kriegsstarre erwacht. Die Zeichen stehen auf Wachstum. Möglichst grenzenlos“, eröffnete er die Konferenz, der sich einem Festakt mit Vertretern aus Politik und Wirtschaft anschloss.

Experte Max Schön, Leiter einer Stiftung in Lübeck und Vorsitzender des Kuratoriums der Deutschen Klimastiftung am Klimahaus Bremerhaven, nahm die Zuhörerinnen und Zuhörer mit auf einen Flug durch die Geschichte der Nachhaltigkeit. Dieser reichte bis in das Jahr 1713 zurück. Eine Zeit, in der der für die damalige Wirtschaft unerlässliche Rohstoff Holz extrem verknappt und darüber beraten wurde, wie die langfristige Versorgung gesichert werden kann. Als Mitglied des Club of Rome warf er die zentrale Frage des Clubs auf, wie ein Gleichgewicht zum Schutz der natürlichen Ressourcen hergestellt werden kann. Denn bei gleichbleibender Wirtschaftsweise bis 2050 würden drei Planeten benötigt, da die Regenerationsfähigkeit der Erde maßlos überzogen wird. Zwei Kernaussagen seines Vortrages: Es bedarf einer Veränderung von Systemen und Marktmechanismen. Die Kreislaufwirtschaft sei ein gutes Beispiel und Vorbild dafür. Und da immer noch vielfach der politische Wille fehlt, muss jeder selbst handeln. Prof. Dr. Frank Schaal, Geschäftsführer Museumspark Rüdersdorf bei Berlin, sprach über Nachhaltigkeit als Herausforderung. Seine Devise: Herausforderungen annehmen, einen permanenten Dialog mit Verwaltung und Politik anstreben und vernetzen. „Die Verwaltungen machen Betrieben in vielen Dingen das Leben schwer“, weiß der ehemalige Geschäftsführer der Museums- und Kultur GmbH Rüdersdorf bei Berlin und Professor für Tourismusmanagement an der EBC Hochschule Berlin. Er favorisiere einen Blick nach Innen und das Verständnis füreinander.

„Eigentlich ist das Ostseebad Göhren auf Rügen ein Naturidyll. Wunderschön gelegen im äußersten Nordosten Rügens, mit weißen Sandstränden, großen Waldstücken und grünen Wiesen. Eigentlich, denn die touristische Entwicklung der letzten Jahrzehnte hat dort einiges zum Schlechten verändert. Nach der Wende herrschte in Göhren Goldgräberstimmung“, leitete Prof. Dr. Jan Pierre Klage zum Redebeitrag von Lehrerin und Unternehmerin Nadine Förster über. In Göhren aufgewachsen und die Welt bereist, hat die LTM-Absolventin den Bezug zu ihrer Heimatinsel nie verloren. Als sie wieder nach Göhren zurückkehrte und sich auf politischer Ebene engagierte, merkte sie: „Da stimmt etwas nicht.“ Anhand von Beispielen wies sie auf die überlastete Infrastruktur in den Sommermonaten hin, auf überfüllte Straßen, Geschäfte, Ostseestrände. „An Regentagen kommt man ab 10 Uhr nicht mehr aus dem Ort heraus.“ Weitere Nebenwirkungen seien der Wohnraummangel, leerstehende Ferienwohnungen, verwaiste Ortskerne und explodierende Immobilienpreise. Göhren habe es damals versäumt, ein Konzept für den Ort zu erstellen. „Investoren aus dem Westen sahen früh das Potential des Ostseebades, kauften Häuser und Grundstücke – zum Großteil zu Spottpreisen. Plötzlich hatte Göhren eine Seebrücke und die Bettenburgen wuchsen an allen Stellen des Fischerdorfs. Heute kommen dort auf 1.000 Einwohner mehr als 8.000 Gästebetten. Das Verhältnis von Touristen zu Einwohnern ist damit höher als auf Mallorca oder in Rimini. Und Göhren existiert nur noch in der Sommersaison“, führte Jan Pierre Klage an. Es sei wichtig, sich in einem gemeinsamen Prozess darüber klar zu werden, wie wir leben wollen, betonte Nadine Förster. „Ein Lebensraumkonzept kann einen Orientierungsrahmen geben“, macht die Gründernin der Initiative „Lebenswertes Göhren“ deutlich. „Wenn der Lebensraum intakt ist, dann bewahren wir die Stärke der Tourismusdestination.“ Unerlässlich seien ganzheitliche Überlegungen, in denen die Einheimischen im Mittelpunkt stehen. „Denn was Einheimischen guttut, tut auch Gästen gut“, ist sie sich sicher.

Martin Balas, ehemaliger Reiseveranstalter und späterer Mitarbeiter der renommierten BTE Tourismus- und Regionalberatung, sprach zum Thema „Tourism for future! Wo steht der Deutschland-Tourismus in punkto Nachhaltigkeit?“ Der LTM-Absolvent, der heute als Berater und Gesellschafter bei TourCert, einer gemeinnützigen Organisation, die ein eigenes, international anerkanntes Beratungs- und Zertifizierungssystem für die Tourismusbranche entwickelt hat, tätig ist, plädiert unter anderem dafür, den Fokus auf das Handeln zu legen und sich vom „Projektdenken“ zu verabschieden. Auch er sieht Vernetzung zukunftsweisend: „Wir können ruhig kopieren, was in anderen Regionen und Betrieben gut funktioniert.“

„Ressourcenschonung, Sensibilisierung von Reisenden und Mitarbeitenden und die Einbindung der lokalen Bevölkerung. Dies sind nur einige der Aspekte eines nachhaltigen Tourismus, die engagierte Tourismus-Destinationen bereits fördern und umsetzen. Aber wirklich gelingen wird das alles nur, wenn alle Stakeholder an einem Strang ziehen, um die Herausforderungen gemeinsam zu meistern“, fasste Jan Pierre Klage die dreistündige Konferenz zusammen. Und: „Da immer noch vielfach der politische Wille fehlt, muss jeder selbst handeln oder sogar selbst zu einer ‚Bewegung‘ werden.“ Tourismus könne zudem nicht mehr als abgeschlossener Sektor betrachtet werden. Die Zukunft für eine nachhaltige Tourismusentwicklung liege seiner Meinung nach vielmehr in Lebensraumkonzepten, die integrativ sind und die ganze Region, die Gäste und die Einheimischen betrachten und einbinden. „Gemeinwohlorientierung wird damit zu einem wichtigen Nachhaltigkeitsziel für Destinationen“, sendet Jan Pierre Klage eine klare Botschaft.
Unter den etwa 150 Zuhörenden war auch LTM-Absolventin Gesine Häfner, Abteilungsleiterin Marketing im Nationalpark-Zentrum Königsstuhl: „Es wurden genau die Themen angesprochen, die uns Touristiker bewegen.“ Sie freute sich auf ein Wiedersehen mit weiteren Absolventen aus ihrem Jahrgang. So wie auch Diana Meyen, Leiterin der Presseabteilung des Deutschen Meeresmuseums. „Die Anfänge der Nachhaltigkeit sind hochinteressant“, zeigte sich der gebürtige Marokkaner und TDS-Student Mohamed Akram Ouzid besonders von den Ausführungen des Vortragenden Max Schön begeistert. Das Thema Nachhaltigkeit werde aktuell in allen Modulen seines Studiums aufgegriffen. Den Input, den er während der Konferenz erhalten hat, möchte er mit in die Vorlesungen nehmen und mit Studierenden diskutieren. „Und ich habe sehr viel mitgenommen“, lächelte er.

Janet Lindemann

Weitere Informationen:
www.hochschule-stralsund.de/ltm/
www.hochschule-stralsund.de/bms/
www.hochschule-stralsund.de/tds/

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