Blick vom Ufer der Zicker Berge über die Boddenbucht nach Alt Reddevitz | Foto: rügen aktuell

Der Drak über der Rügener Having

Aus dem Sagenkreis der Halbinsel Mönchgut

Auf Mönchgut, einer Halbinsel der Insel Rügen, saßen eines Abends die Fischer aus Alt Reddevitz am Ufer der Having, einer Bucht des in die Ostsee übergehenden Greifswalder Boddens. Sie klönten, nachdem sie ihre Fänge angelandet hatten, noch einige Zeit und sahen dabei auf ihre in den Wellen schaukelnden Boote.

Auf einmal, in der Abenddämmerung ganz klar zu sehen, tauchte, von Baabe kommend, ein helles Licht auf. Die Fischer sahen sich fragend an. „Das muss der Drak sein!“, rief Hein Ewert, einer der Fischer. Gehört hatte man schon viel von dem Ungetüm, das wie ein feuriger Klumpen, ähnlich einem großen Fisch mit langem Flammenschweif, aussah. Besser, man begegnete dem Drak nicht, sonst erging es einem schlecht.
Das Licht wurde immer heller. „Ich geh denn mal!“, sagte Hein Ewert. Schnell sprang er auf und lief davon. Einer nach dem anderen eilte ihm nach. Nur Martin Klaas blieb zurück. Er sah den anderen Fischern nach. „Ihr Bangbüxen, soll er man bloß rankommen, der alte Drak, so kann er mir dann ruhig Geld mitbringen und den ganzen Kahn damit füllen!“ rief er den anderen nach.

Der Drak kam nun tatsächlich immer näher. Als er über dem Fischer und im Begriff war, zum ihm herunter zu gleiten, bekam es Martin Klaas mit der Angst. So schnell er konnte, lief er zu seinem Boot. „Auf dem Wasser bin ich vor dem feurigen Ungeheuer sicher“, dachte er sich. Heftig stieß er sich ab und ruderte nach Leibeskräften.
Der Drak ließ ihn nun aber nicht mehr los. Schlängelnd folgte er dem Boot, und als Martin Klaas mitten auf der Having war, spie der Drak, ohrenbetäubend laut, Taler in sein Boot. Der Schreck war vergessen. Martin Klaas murmelte: „Mach man weiter! Gut! Je mehr, je besser!“
Minutenlang klingelte das Geld ins Boot. Nun aber wich seine Freude auch schon wieder, denn das Klingeln hörte nicht mehr auf. Das Boot sank immer tiefer ein, je mehr es sich mit den Talern füllte. „Es reicht, aufhören! Es reicht!“ rief Martin Klaas. Es half nichts. Das Wasser brach über seinem Boot zusammen, ein grauenhafter, weithin hörbarer, gellender Schrei fuhr über das Wasser und die schwere Last zog den Fischer mit seinem Boot in die Tiefe.

In Alt Reddevitz fuhr den Dorfbewohnern nach dem letzten Aufschrei der Schreck in die Glieder. Einer der Fischer, Jan Kliesow, beobachtete das grausige Geschehen vom Driftenberg, in der Nähe des Dorfes. „Ja, der Drak hat ihn geholt, Leute. Mit Martin Klaas“, sagte er leise, „ist es vorbei.“ Und so ist es gewesen. Martin Klaas wurde nie wieder gesehen.

(Aus: Albert Burkhardt, Sagen und Märchen der Insel Rügen.
2. Auflage, Altberliner Verlag, 1999)

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