Die „gigantische Ereignislosigkeit“ auf dem kleinen Hiddensee wie hier in Neuendorf ist etwas ganz Großes | Foto: rügen aktuell

Sehnsuchtsziel Hiddensee

Einen Tag auf dem kleinen Eiland in eine entschleunigte Welt eintauchen

Leute, die Hiddensee lieben, ergreift das Gefühl sofort, wenn sie auf die Fähre steigen: Seeluft, Freiheit, pure Entspannung, die Seele baumeln lassen in der kleinen anderen Welt. Denn Rügens Schwesterinsel ist autofrei und nicht sehr groß. Man kann sie nur per Schiff erreichen, die Überfahrt gehört zum Erlebnis Hiddensee einfach dazu. Möchte man eine längere Fährfahrt genießen, tut man dies gleich von der Hansestadt Stralsund aus. Wer nicht mehr auf dem Festland ist, begibt sich per Bus oder Pkw nach Schaprode auf West-Rügen und setzt entsprechend schneller nach Kloster, Vitte oder Neuendorf über.
18 Kilometer lang und einen Kilometer breit, liegt Hiddensee wie ein Wellenbrecher vor der Westküste Rügens. Von ihren Bewohnern und Fans wird sie liebevoll „dat söte Länneken“ („das süße Ländchen“) genannt. Aufgrund der Autofreiheit präsentiert sich ihre Natur in fast unberührter, vielfältiger Schönheit. Hier trifft man beispielsweise noch auf Wildkaninchen, 42 Bienenarten, über 400 Groß-Schmetterlinge, Waldeidechsen und Kreuzottern, unheimlich viele Fischarten sowie Tausende von Kranichen, Gänsen, Wasser- und Watvögeln. Diese Quelle der Erholung als Symbol einer „heilen“ Welt erkannten zu Anfang des 20. Jahrhunderts bereits viele Künstler, Musiker und Schauspieler sowie bedeutende Persönlichkeiten aus Kultur und Wissenschaft und verbrachten ihre Sommer dort.
Schon im 13. Jahrhundert siedelten hier Zisterziensermönche, was dem nördlichen Ort bis heute seinen Namen gibt. Kloster ist eher kulturell ausgerichtet: Das Gerhart-Hauptmann-Haus wie zu Lebzeiten des Dichters, informiert über dessen Leben und Werk, neue Inszenierungen seiner Stücke und organisiert Ausstellungen zur Künstlerinsel Hiddensee. Es gibt themenspezifische Führungen, regelmäßige Lesungen und Konzerte sowie tolle Bücher im überaus gut sortierten Museumsshop. Im Heimatmuseum Hiddensee in der historischen Seenotrettungsstation widmet man sich mit etwa 450 Ausstellungsgegenständen der Inselgeschichte. Außerdem gibt es eine Pflanzenausstellung und Bernsteinsammlung zu bestaunen. Anschauenswert sind außerdem die Inselkirche samt Friedhof und zahlreiche Galerien mit Verkaufsausstellungen im Ort. Hiddensees Wahrzeichen und Ausflugsziel Nummer eins jedoch ist der Leuchtturm auf dem Hochland Dornbusch im Norden der Insel, dem Schluckswiek. Seine 102 Stufen sind ersteigbar, bei schönem Wetter kann man bis zu den Kreidefelsen der dänischen Insel Møn blicken.
Rohrgedeckte weiße Häuser prägen den trubeligen Hauptort der Insel – Vitte, in der Mitte gelegen. Hier gibt es Cafés, Geschäfte und den Supermarkt, aber auch die Homunkulus Figurensammlung und ihre Spielstätte „Seebühne Hiddensee“. Im Asta-Nielsen-Haus kann man heiraten oder sich die Ausstellung zur Inselarchitektur anschauen. Ein 200 Jahre altes Künstleratelier, die „Blaue Scheune“, ist eines der beliebtesten Fotomotive Hiddensees. Während im Zeltkino Arthouse-Filme, Sommerkomödien und Kinderfilme laufen, zeigt das Nationalparkhaus Wissenwertes über die Natur der Vorpommerschen Boddenlandschaft.
Harmonie, Ruhe und auf den Leinen flatternde Wäsche bietet dagegen der kleine, fast wegelose Fischerort Neuendorf im Süden. Er steht mit seiner Reetdach-Dorfarchitektur komplett unter Denkmalschutz. Bemerkenswert ist das kleine Fischereimuseum im alten Reusenschuppen der „Lütt Partie“. Hier haben Neuendorfer Fischer traditionelle Zeugnisse ihres Handwerks zum Anfassen zusammengetragen. Im ehemaligen Reusenschuppen „Groot Partie“ befinden sich fischereiliche Arbeitsmittel, ein digitales Bildarchiv sowie das Museumscafé.
Die sieben Kilometer zwischen den drei Ortschaften lassen sich gemütlich mit einer der zahlreichen Kutschen oder per ausgeliehenem Fahrrad überbrücken. Währenddessen lässt man die wildromantische Landschaft der Bodden, Wiesen und Hiddenseer Heide auf sich wirken. Außerdem zählt die Insel zu den sonnenreichsten Orten Deutschlands – deren Untergang beobachtet man am Weststrand, wenn die Möglichkeit besteht, auf Hiddensee zu übernachten. Doch wer jemals auf Hiddensee war, kommt immer wieder.

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