Die Kreidefelsen der Stubbenkammer auf der Halbinsel Jasmund – ein seit jeher sagenumwobener Landstrich | Foto: rügen aktuell

Die schwarze Frau in der Stubbenkammer

Eine Jasmunder Erzählung aus dem Sagenkreis rund um den Kreidefelsen Königsstuhl

In der Kreideküste um den Königsstuhl gibt es einige Höhlen, die bis heute noch unentdeckte Schätze bergen sollen. Einige wurden dort von Piraten versteckt. Direkt unterhalb des Königsstuhls führt ein enger, steil ansteigender Weg tief in den Felsen zu einer großen Höhle. Seit einigen hundert Jahren sitzt dort eine schwarz gekleidete Frau, die vor langer Zeit einen reich verzierten Goldbecher bei sich hatte. Oben auf dem Felsen hielt eine weiße Taube Wache.

Das sprach sich herum. Eines Tages landete ein Schiff aus Dänemark am Königsstuhl an. Neben der Besatzung war an Bord ein vom dänischen König wegen Hochverrats ursprünglich zum Tode verurteilter, aber wieder begnadigter Sträfling. Er sollte die Begnadigung aber nur erhalten, wenn er den Becher heranschafft.
Die Dänen ließen sich von Fischern den Eingang der Höhle zeigen, lösten dem Häftling die Fesseln und schickten ihn hinein. Lodernde Flammen und eine große Hitze schlugen ihm entgegen. Es war unheimlich. Er wollte umkehren, aber die Angst vor dem Todesurteil trieb ihn voran. Weiter, immer tiefer drang er in die Höhle vor. Dann sah er die schwarze Frau, unbeweglich, mitten im Feuer. Der goldene Becher stand neben ihr. „Ich muss den Becher haben “, dachte er sich, „um jeden Preis.“
Er ging weiter, überwand seine Furcht vor den ihm entgegen züngelnden Flammen und schaffte es, zu der schwarzen Frau vorzudringen. Da nahm sie ihren dunklen Schleier vom Gesicht. Der Fremde konnte in ihr schönes, blasses Gesicht sehen. Aus ihren blauen Augen sah sie ihn beschwörend an und sagte mit bittender Stimme: „Fremder Mann, triffst du die richtige Wahl, so werde ich auf immer dein sein. Triff die richtige Wahl!“
Der Mann dachte an sein Leben und sah nur den Becher, er hatte keine Ohren für die Worte der Frau. Er griff nach dem goldenen Becher und stürzte zurück zum Ausgang. In der Höhle erklang ein tiefes, lautes Seufzen und Jammern. Schaudernd hörte man die verzweifelte, klagende Stimme der Frau: „Der Becher! Nie wieder kann man mich nun erlösen!“

Hätte der Fremde auf ihre Worte geachtet und nicht nur auf ihren Becher, hätte er sie gewählt, wäre sie erlöst worden. Weitere, in der Höhle verborgene Schätze wären dann zur Belohnung sein gewesen. Nachdem der gezwungene Dieb den Flammen entkam und die Höhle verlassen hatte, flog die weiße Taube davon. Seither übernimmt ein schwarzer Rabe die Wache auf dem Kreidefelsen.
Der Häftling indes übergab seinen Landsleuten den Becher. Das schaurige Klagen, Stöhnen und Weinen der Frau konnte man noch lange aus der Höhle vernehmen. Nun wagten sie es doch nicht, mit dem Schatz nach Dänemark zu segeln, denn der Becher würde ihnen bei der Überfahrt sicher Unheil bringen. Man brachte den Goldbecher in die Bobbiner Kirche, in der er lange Zeit aufbewahrt wurde. Was darauf mit dem Häftling geschah, ist nicht überliefert.

(modernisierte und verlängerte Fassung nach:
Alfred Haas, Rügensche Sagen und Märchen. 1. Auflage,
Ludwig Bamberg, Greifswald 1891)

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