Erstes Hanfhaus in Puddemin

Henrik Pauly aus Tübingen hat auf Insel seine Handschrift hinterlassen

In Puddemin – im Süden von Rügen – entstand 2023 nach zweijähriger Planungs- und Bauzeit das erste Haus aus Hanf auf der Insel. Gebaut wurde es mit Hilfe von Henrik Pauly, Deutschlands erstem Hanfingenieur. „Auf Rügen mit Hanf zu bauen war für uns eine Premiere“, erzählt Henrik Pauly. „Hohe Windlasten im Küstengebiet, ein Reetdach – all das waren neue Herausforderungen“, so der 33-jährige Bauingenieur aus Tübingen. Doch „Pionierarbeit“ ist sein Ding. Und so konnte er auch vor Ort Bauherren und Handwerker mit seinem Enthusiasmus überzeugen und anstecken.
Henrik Pauly hat sich quasi seinen Traumjob erschaffen. Für Nutzhanf begeistert er sich schon seit seinem 11. Lebensjahr. „Damals war ich im Hanfhaus in Reutlingen“, erzählt er in einem Gespräch mit rügen aktuell. „Ich war geflasht, was man alles aus einer Pflanze machen kann: Hanfsamen als gesundes Superfood, Nahrungsöle, Socken, Pullis, Matratzen…“ Seither verlässt Hanf als Pflanze nie wieder seinen inneren Radar. In den nächsten Gang schaltet der Tübinger im Jahre 2018 nach einem Besuch im Hanfmuseum in Berlin. Hier wird er, der inzwischen Bauingenieur ist und ein Projekt in der Hauptstadt betreut, auf Hanf als Baustoff aufmerksam. „Da hat es bei mir Klack gemacht“, erinnert er sich. „Ich glaubte damals schon so ziemlich alles über diese Pflanze zu wissen, doch im Berliner Museum sah ich zum ersten Mal diesen massiven Dämmstoff aus Hanf und Kalk.“
Eine faszinierende Reise beginnt. Recherchen führen ihn zum internationalen Hanfbau-Symposium, welches jedes Jahr an einem anderen Ort auf der Welt veranstaltet wird. Er trifft Fachleute von überall – auch Deutsche. Es wird die Geburtsstunde eines Hanfbau-Kollektivs. Viele Projekte gab es seinerzeit noch nicht. Henrik Pauly will das ändern, entdeckt eine Nische für sich, damit seine große Passion und weiß endlich etwas Sinnvolles mit seinem Beruf anzufangen.

Nutzhanf ist eine sehr schnell wachsende einjährige Pflanze. In der Bundesrepublik Deutschland wird 1982 sogar der Anbau von Faserhanf verboten, der keinerlei berauschende Wirkung hat. „Viel Wissen ging dadurch komplett verloren“, so Pauly. Erst im April 1996 wird dieses Verbot wieder aufgehoben. Doch die allgemeinen Wissensspeicher sind leer, niemand hat geforscht und entwickelt. Die Vision vom Hanfingenieur und den Seinen ist nun, dass der Baustoff in der Mitte der Gesellschaft ankommt. In Seminaren und Vorträgen vermittelt Pauly Wissen, gibt seine Erfahrungen weiter. „Ich wünsche mir, dass jeder Handwerker ganz normal mit Hanfkalk arbeitet.“

Hanfkalk: Der holzige Teil der Pflanze wird mit Lehm oder Kalk vermischt. Somit entsteht ein Dämmstoff, der sich hart anfühlt wie Stein, aber leichter ist als Holz und deutlich besser dämmt. Hanfkalk ist ein massiver, harter Baustoff, der dennoch sehr gut dämmt.

Henrik Pauly und sein Team sind heute Experten im Bereich ökologisches Bauen. Wer nachhaltige Bau- oder Sanierungsprojekte mit Nutzhanf realisieren möchte, kann sich auf Beratung und Projektsupport verlassen oder auch auf Webinaren und Workshops live erleben, wie man Hanf als Baustoff am besten einsetzt. Hanfkalksteine kann man fertig kaufen und wie Ytong vermauern. Pauly selbst jedoch favorisiert die Vor-Ort-Methode: Wie Ortbeton wird Hanf, Kalk und Wasser vor Ort zusammengemischt und in Schalungen eingebracht. Als Bewehrung dient Holzfachwerk statt Eisen. Das Verdichten des Hanfkalks geschieht manuell. Ein Beispiel: Für ein Ein- bis Zweifamilienhaus braucht man die Menge eines Hanffeldes von ein bis maximal zwei Hektar Größe. Die Pflanze ist nach ca. 100 Tagen erntereif. Das Bauen mit Hanf bietet eine unschlagbare CO2-Bilanz, Ackergifte fallen weg, Hanfkalk ist frei von bedenklichen Stoffen, dämmt gut, ist schwer entflammbar und garantiert das ganze Jahr ein gesundes Raumklima. Und das alles im Gegensatz zum Beton, der als Klimakiller gilt, da bei seiner Herstellung enorm viel CO2 ausgestoßen wird.
Ach, und um auch die letzte Frage auszuräumen: Nein, Henrik Pauly raucht nicht, was er verbaut. Er ist und bleibt auch als Deutschlands erster Hanfingenieur absoluter Nichtraucher.

Autorin: Ina Schwarz

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