Ralswiek im frühen Mittelalter

Archäologen fanden vergessene Hügelgräber in schwarzen Bergen

Wer Ralswiek und Mittelalter liest, der denkt sofort an Klaus Störtebeker. Durch die Festspiele wird Ralswiek jeden Sommer zum Piratendorf. Während es nicht mehr nachweisbar ist, ob Störtebeker tatsächlich jemals auf Rügen war, bleibt die weitaus ältere Geschichte von Piraten, Schätzen und Menschenopfern meist verborgen.
Im Jahr 1963 besuchten zwei Archäologen die schwarzen Berge bei Ralswiek. Sie fanden 400 vergessene Hügelgräber. Zu so einem Gräberfeld musste eine Siedlung gehören. Damals, wie heute, verwies nichts in Ralswiek auf eine frühmittelalterliche Siedlung. Bei Ausgrabungen ab 1966 wurde jedoch schnell klar, dass Ralswiek geschichtlich nicht unbedeutend war. Hier lebten seit der Ortsgründung um das Jahr 775 Wikinger und Ranen gemeinsam.

Die Ranen, Bewohner der Insel im Mittelalter, zählen zu den Westslawen, die zwischen Oder und Elbe lebten. Noch heute erinnern slawische Ortsnamen daran. Der Name Ralswiek ist dänisch und steht für „Handelsplatz auf dem Sand“. Auf einer Sandbank erstreckte sich im heutigen Ortskern eine Siedlung mit Bootseinfahrten. Hier handelten Insulaner über den Ostseeraum hinaus, bis Skandinavien, Russland, Byzanz und Arabien. Zahlreiche Artefakte belegen das.
Einer der bedeutendsten Funde ist ein Schatz, den man in einem der Hausgrundrisse entdeckte. Dieser bestand aus 2211 Silbermünzen aus dem persischen und arabischen Raum. Für ihn hätte man zehn gute Pferde bekommen. Leider ging der Besitzer leer aus. Nachdem er den Schatz hastig vergrub, wurde er vermutlich Opfer eines Überfalls. Die Münzen blieben im Boden. Im Laufe
der Zeit überbauten Ralswieker die Stelle mehrfach. Die Bewohner wussten nicht, auf welchem Vermögen sie lebten.
In Ralswiek fand man vier Boote aus jener Zeit, die vermutlich hier gebaut und repariert wurden. Drei der ca. 12,50 m langen Boote dienten dem Handel. Das vierte Schlankere nutzte man als Kriegsschiff. Eine dänische Chronik berichtet, dass die Bewohner der Insel Rügen gefürchtete Piraten waren. Mit ihren kleinen, aber schnellen, hochseetauglichen Booten, setzten sie den größeren skandinavischen Schiffen nach und plünderten diese. Selbst vor dänischen Küsten machten sie keinen Halt.
Zur Zeit der Ranen glaubte man auf der Insel Rügen nicht nur an einen Gott, sondern an mehrere heidnische Götter. Manchmal opferte man ihnen sogar Menschen. In Ralswiek fanden die Archäologen ein Heiligtum direkt am damaligen Boddeneinschnitt. Vor dem Gebäude lag ein Opferpodest, welches für Tiere und wohl auch zur Opferung von Menschen diente. Knochen von Männern und Frauen im besten Alter belegen das. Auch Wikinger opferten Menschen. Da im nahegelegenen Gräberfeld sowohl slawische, als auch skandinavische Gräber zu finden sind, vermutet man eine gemeinsame Nutzung von Ort, Heiligtum und Gräberfeld. In 400 Grabhügeln befanden sich 450 Bestattungen, die meist vorher verbrannt wurden. Die Seele kam so aus dem Körper frei. Heute ist von der Welt der Ranen, der Ostseehändler, Piraten, ihren Handelshöfen, Booten und dem Heiligtum oberflächlich nichts mehr erhalten. Einzig die Grabhügel sind geblieben.

Nordpfeil Rügen
Mit den archäologischen Entdeckungen in Ralswiek starteten wir unser Geschichtsprojekt. Wir, das sind Andrea Werner und Denny Neumann, leben auf der Insel und sind auch beruflich für unsere neue Heimat tätig. Eines unser Hobbies ist die Geschichte der Insel zu erforschen. Unzählige Male erkundeten wir das Gräberfeld in Ralswiek. Mit den Publikationen von Joachim Herrmann zu den Ausgrabungen formierten sich Bilder im Kopf. Diese wollten heraus. Zugute kam uns 2020 die Pandemie – plötzlich hatten wir viel Zeit. Wir entwickelten auf der Grundlage der Grabungsbefunde digitale Rekonstruktionen. Diese veröffentlichten wir zunächst in sozialen Netzwerken. Bei den Personen, die das sahen, kam der Wunsch auf, die Rekonstruktionen einmal vor Ort zu erleben. Wir verknüpften die Orte mit einer Strecke und entwickelte daraus eine Führung, mit der der wir bereits 2021 erfolgreich starteten. Bisher erlebten wir sehr viel Begeisterung von unseren Gästen.
Sollten auch Sie in die Zeit vor 1200 Jahren eintauchen wollen, besuchen Sie uns bei unserer Führungen „Ralswiek im frühen Mittelalter“

Weitere Informationen zum Projekt erhalten Sie
unter: https://www.nordpfeil-ruegen.de

Osterkonzerte auf der Insel Rügen

KonzertLEBEN startet die Saison mit dem Inselfrühling

weiter

Galaabend in der Nordperdhalle

Bernsteinköniginnen feiern am 22. Oktober gemeinsam Jubiläum

weiter

„Ich kann Künstler gut aushalten“

Als Kuratorin, Autorin und Mediatorin wirkt Susanne Burmester auf Rügen

weiter

Nachhaltige Töne

Selliner laden zu Musik, Sonnenfest und Sammelaktion ein

weiter