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Es gibt so viel Schönes auf der Welt, doch viele Menschen sehen es nicht!

Auf einen Kaffee mit dem Weihnachtsmann

 

Eigentlich ist er für die herrschenden Temperaturen viel zu warm angezogen. Und wenn man bedenkt, dass er auf jeden Fall unerkannt bleiben möchte, vielleicht auch etwas zu auffällig in dem leuchtend roten Mantel mit Kapuze und weißem Fellkragen. Wir treffen uns auf einen türkischen Kaffee an einem unbekannten Ort – nur unter Schwierigkeiten konnte er den aufgeregten Kindern ausweichen, die sich gerade an seine Fersen heften wollten.

Lieber Weihnachtsmann, wie kommt es, dass Sie schon jetzt auf der Insel Rügen vorbeikommen? Es sind doch noch vier Wochen bis Weihnachten!
Viele Menschen denken, dass ich nur im Dezember arbeite – doch so ist das nicht. Ich bin schon seit Oktober unterwegs. Sonst würde ich es auch gar nicht schaffen, alle zu besuchen. Ich muss die ganzen Postämter besuchen, wo die Kinder ihre Wunschbriefe hinschicken. Nach Rovaniemi in Finnland, Libourne in Frankreich, auch in die Schweiz und nach Norwegen, doch auch nach Engelskirchen in Nordrhein-Westfalen und nach Himmelpfort in Brandenburg. Zum Glück muss ich mich nur um Europa kümmern, denn in Kanada und den USA sind meine Kollegen unterwegs.
Es gibt auch viele Kinder, die gar nicht Weihnachten feiern, weil sie Muslime oder Buddhisten sind. Bekommen die auch Geschenke?
Ich muss ehrlich sagen, dass es mir vor allem darum geht, eine Freude zu machen. Und in Deutschland haben oft gerade Kinder aus fernen Ländern wie Syrien eine besonders schwere Zeit. Oft haben sie auch furchtbare Fluchtgeschichten erlebt. Sie brauchen Trost – und wenn möglich, bekommen sie auch kleine Geschenke. Überhaupt ist Weihnachten das Fest der Liebe, und diese sollte allen Menschen entgegengebracht werden. Zu Weihnachten kann man sein Herz öffnen und Konflikte bereinigen. Es gibt nichts Schöneres.

Sie sind ja schon recht alt. Wie haben Sie denn
damals herausgefunden, was ihre Bestimmung ist?
Das ist eine lange Geschichte – doch ich versuche, sie mal zusammenzufassen. Geboren wurde ich zwischen 270 und 286 in Patara, das liegt heute in der Türkei, nahe Antalya. Als Nikolaus bin ich mit der griechischen Sprache aufgewachsen. Das gehörte damals alles zu Kleinasien. Ich wurde Priester, doch es waren harte Zeiten. Zur Zeit der Christenverfolgung wurde ich eingesperrt und gefoltert. Später habe ich sogar mal einen Kollegen geohrfeigt. Im Gefängnis wurde mir klar, dass materieller Besitz nicht wichtig ist, und ich habe meine ganze Habe an die Armen verteilt. Daraus wurde ein Lebenswerk – unerkannt Geschenke zu machen an Leute, die in Not waren.

Ihre mildtätigen Taten sind legendär und Sie wurden sogar heiliggesprochen. Können Sie sich noch an eine besonders bemerkenswerte Geschichte
erinnern?
Oh ja, da gab es diesen Vater, der wollte seine Töchter auf den Strich schicken, weil er kein Geld für die Mitgift hatte. Das muss man sich mal vorstellen! Ich habe ihm drei Nächte hintereinander jeweils einen Goldklumpen ins Haus geworfen – für jede der drei Töchter. Das hat sie gerettet. Ich hatte einfach besondere Kräfte – konnte Stürme abflauen lassen, Ertrunkene wieder ins Leben zurückholen und so Sachen. Das versteht heute keiner mehr, und viele Wunder wurden ja auch erfunden. Die Menschen wollen an das Gute glauben, und dafür brauchen sie Personal – so kam es, dass ich später eine Art Supermann wurde.

Da wir gerade über Supermann sprechen – Sie haben ja ein besonderes Styling, an dem Sie jeder sofort erkennt.
Ursprünglich wurde mein Styling von niederländischen Auswanderern geprägt. Sie brachten den „Sinterklaas“ im 17. Jahrhundert mit nach Nieuw Amsterdam, in das heutige New York. Damals hatte ich auch schon diese roten Pausbacken, doch ich war mal dünn, mal dick, wie andere auch, und die Farbe meiner Kleidung wechselte ich nach Tageslaune von Grün zu Braun oder auch mal zu Rot. Ikonisch wurde mein Aussehen erst in den 1930er-Jahren, und das kam so: Coca-Cola war genervt davon, dass ihr Getränk nur im Hochsommer getrunken wurde, und hat den Grafiker Haddon Sundblom beauftragt, eine Weihnachtskampagne zu zeichnen. Er hat dann das starke Bild des dicklichen Mannes mit langem weißem Bart und freundlichem Gesicht geprägt, der in einem roten Mantel mit Fellkragen auftritt. Und weil Coca-Cola in der ganzen Welt getrunken wurde, hat sich diese Vorstellung so verfestigt, dass ich mich jetzt immer so anziehe. Manchmal lege ich zum Winter extra ein paar Kilo zu, damit ich dem Bild entspreche. Dem Unternehmen gefiel es natürlich, dass meine Kleidung dem Rot ihrer Marke entsprach – doch diese haben sie nicht erfunden, das gab es schon vorher.

Ich muss noch eine kritische Frage stellen – als Heiliger Nikolaus haben Sie doch eigentlich nur am 6. Dezember zu tun. Warum besuchen Sie die Familien jetzt auch zu Weihnachten?
Martin Luther fand die Heiligenverehrung nicht so besonders toll und hat dafür gesorgt, dass das Christkind – also Jesus – die Gaben bringt. Das war eine harte Zeit für mich! Ich war nur noch dafür zuständig, ein paar Nüsse in dreckige Schuhe zu werfen, und die Kinder begannen, mich nachzumachen, indem sie sich selbst als Nikolaus verkleideten. Doch zum Glück sind mit der Zeit die beiden Bräuche miteinander verschmolzen, und nun bringt in den meisten Familien wieder der Weihnachtsmann die Geschenke zum 24. Dezember – und den Nikolaustag gibt es trotzdem noch.

Es gibt ein berühmtes Interview mit Ihnen, das Erich Kästner in den 1920er-Jahren mit Ihnen
geführt hat. Da wirken Sie nicht gerade sehr fröhlich, täuscht der Eindruck?
Ich muss schon sagen – am schlimmsten war für mich, dass Kästner mich beschuldigt hat, ihm sein goldenes
Feuerzeug gestohlen zu haben. Diesen Ruf konnte ich nur schwer wieder loswerden. Doch eigentlich war ich froh, dass auch mal jemand nach meinem persönlichen Befinden gefragt hat. Die Menschen haben sehr hohe Erwartungen an mich, und ich muss immer funktionieren. Darüber denkt niemand nach, dass ich auch mal müde und traurig bin. Besonders macht mir die Undankbarkeit der Menschen zu schaffen – die nicht sehen, dass es so viel Schönes gibt und immer wieder Kriege anfangen und sich streiten.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Gespräch führte Susanne Burmester.

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