„Ich liebe die Natur, doch Fischen ist nicht mein Hobby!“

Auf einen Kaffee mit Henry Diedrich

Fischer sind Individualisten und auch ihre Fanggebiete unterscheiden sich – besonders auf Rügen, wo jeder Bodden andere Voraussetzungen bietet und die Ostsee nochmal eine ganz andere Geschichte ist. Wie man auf Rügen als Fischer überleben kann, davon erzählt uns Henry Diedrich. Als Fischwirt für Küstenfischerei und kleine Hochseefischerei mit Zusatzausbildung als Fachwirt für Fischerei und Meeresumwelt (Sea Ranger) führt der 49-jährige die Familientradition auf Ummanz in fünfter Generation fort. Unseren Termin hat er um 4:55 Uhr per WhatsApp bestätigt – da war er schon bei seinen Reusen gewesen.

 

Hallo, schön dass Du Zeit hast. Wie ist das so auf Rügen als Fischer?

Das ist erstmal sehr arbeitsreich, auch weil sich alles so schnell ändert – in der Fischerei an sich, in der Natur allgemein und in der Gesellschaft. So wie mein Opa arbeitete, hat es bei meinem Vater nicht mehr funktioniert und so wie mein Vater wirtschaftete, kann ich heute nicht mehr geschäftig sein.

 

Wolltest du schon immer Fischer werden?

Als Jugendlicher in der Wendezeit musste ich selbstverständlich immer mal wieder mit ran. Doch die Fischerei war damals nicht mein Traumberuf. Ich habe nach dem Abitur erstmal Zivildienst geleistet und anschließend eine Ausbildung zum Rettungsassistent abgeschlossen. Wie im Rettungsdienst, ist es auch als selbstständiger Fischer wichtig Verantwortung übernehmen, denn auf See muss man entschlussfreudig sein, zum Beispiel wenn unvorhersehbar ein Wetter aufzieht. Du musst auch die Fangsituation immer wieder neu einschätzen und dann möglicherweise ad hoc den Fangplatz wechseln.

 

Auch wenn sich vieles verändert hat, hast Du auch Wissen von deinem Vater mitnehmen können?

Auf jeden Fall, ich wundere mich manchmal, was ich damals unbewusst alles gespeichert habe. Ebenso glaube ich aber, dass man seine Erfahrungen gerade in der Fischerei und mit der Natur selbst und jeden Tag neu machen muss. Im Traditionswissen ist viel Gutes drin, doch die Umweltbedingungen und die wirtschaftlichen Zusammenhänge haben sich so stark geändert, da kann zu viel von altem Wissen auch hinderlich sein. Mir fehlt heute die Zeit, tagelang im Schuppen zu sitzen und komplizierte Großreusen aus dem Kopf heraus zu bauen. Und Kleinstreusen und anderes Fischereimaterial kommen größtenteils sowieso aus Asien.

So wie du es beschreibst, ist die Fischerei heute fast ein lebender Organismus und erfordert viel innovatives Denken.

Das kann ich nur bestätigen. Es ist eine sehr komplexe Situation. Das ist nicht nur der Fischereidruck, sondern es sind viele Faktoren, die eine Rolle spielen: Die Umweltbedingungen, das Wetter, das sich geändert hat, doch auch wie wir an Land leben und wirtschaften. Über Flüsse weit aus dem Binnenland gelangen Stoffe in die Ostsee, die hier eigentlich nicht hingehören. Alles wirkt aufeinander ein und manches zeigt sich erst Jahrzehnte später. Einige Kipppunkte sind schon erreicht, Veränderungen passieren jetzt sehr schnell. Es ist, als ob die Natur einen Schalter umlegt und in kürzester Zeit ein verändertes Programm fährt, um sich anzupassen.

Was fängt man denn zum Beispiel im Juni in den Fanggebieten, wo du fischst?

Im Juni fängt man fast die ganze Vielfalt, aber keinesfalls in Menge, wie zu anderen Jahreszeiten: Barsch, Hecht, Aal und Zander, auch Flundern kann man in unseren wenig salzhaltigen Mischgewässern fangen. Mein Fanggebiet reicht von Stralsund bis Ummanz über Hiddensee und bis in den Großen Jasmunder Bodden. Ich habe Glück, denn ich kann die maximale Obergrenze der in meinem Fanggebiet erlaubten Stellnetze bewirtschaften. Die erlaubten Fangeräte sind begrenzt und dies fungiert auch als Quote, neben den Quoten für spezielle Fischarten. Es gibt noch zahlreiche andere Vorgaben, die das Überfischen durch Kleinst- oder Einmannbetriebe, wie ich es bin, ausschließen. Auch ist in den Boddengewässern nur die passive Fischerei erlaubt. Dabei werden die Fanggeräte an einem Ort aufgestellt und nicht aktiv durchs Wasser gezogen, wie bei der Schleppnetzfischerei.

An wen verkaufst Du denn deinen Fisch?

Ich verkaufe größtenteils an eine Hand voll Restaurants auf Rügen und weniger an Privatleute. Was für mich dabei besonders zählt, ist neben einem fairen Preis, auch eine gewisse Beständigkeit, Zuverlässigkeit und der gegenseitige wertschätzende, geschäftliche Umgang mit meinen gastronomischen Partnern. Natur und insbesondere die Anlandung von Fisch lassen sich eher schlecht auf einen Zeitpunkt hin planen. Fischereiliche Abläufe können nicht einfach aus Termingründen unterbrochen oder durcheinandergebracht werden.

 

Und wie läuft das mit den Restaurants auf Rügen?

Da gibt es schon pfiffige Leute, die regionale Qualität zu schätzen wissen. Das geht oft über die Köche, die ihre Chefs überzeugen und dann sind diese froh, wenn sie Fischer fest an sich binden können. In der gastronomischen Hochsaison müssen allerdings auch die Restaurants zukaufen. Vermehrt kommunizieren sie dies aber auch ehrlich und transparent. Dann kann der Kunde sich entscheiden, ob er das etwas teurere Barschfilet aus den Boddengewässern rund um Rügen oder die Scholle aus der Nordsee essen will.

Wie erholst du dich?

Das ist schwierig: durch Arbeit! Ich schätze an der Fischerei, dass ich Zeit in der Natur verbringen kann, um besser wahrzunehmen, was sich verändert. Fischerei kann ein Erlebnis sein, doch dafür muss das gute Lebensmittel Fisch auch fair bezahlt werden, insbesondere in einer Zeit, wo auch andere Lebensmittel teurer werden. Da bin ich zunehmend realistischer geworden, denn Fischen ist nicht mein Hobby. Wir müssen auch von unserer harten Arbeit gerecht leben können. Ich bin zuversichtlich für die Fischerei, wenn die Wertschätzung, sowie das Bewusstsein für gesunde, tierische Lebensmittel steigen.

Was wünscht Du dir für die Zukunft?

Meiner Meinung nach ist die Krise der Fischerei Teil eines gesamtgesellschaftlichen Problems. So wie die Massentierhaltung heute nicht mehr gewünscht wird, müssen wir auch beim Fisch umdenken. Wir können nicht ewig die alten Modelle fahren. Da müssen sich auch die Anreize ändern und Fischer, die neue Perspektiven entwickeln, gefördert werden. Wir müssen regionaler denken und spezifischer auf die lokalen Bedingungen schauen, wenn wir resilienter gegen den Klimawandel und unabhängiger vom Ausland werden wollen. Wir können uns alles sehr grün träumen, doch man muss auch wieder lernen, dass Qualität mehr kostet. Das heißt nicht, dass man verzichten muss, denn auch nicht so teure, weniger beachtete Arten, können ein Genuss sein. Heute gibt es gute Zugänge zu kreativen Rezeptideen – da ist eine Vielzahl an unterschiedlichsten Geschmackserlebnissen möglich, auch wenn die Auswahl saisonal begrenzt ist.

Vielen Dank für Deine Zeit und das tolle Gespräch!
Das Gespräch führte Susanne Burmester

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