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Ein Fassadenkleid aus Schilfrohr
1. Mai 2025Susanne Brorson untersucht das Potential von Naturmaterialien
Eignet sich Schilfrohr von der Insel Rügen für die Fassadenverkleidung? Wie muss es verarbeitet werden und, welche besonderen Eigenschaft bringt es mit? Diese und andere Fragen zu diesem heimischen Rohstoff untersucht die Rügener Architektin Susanne Brorsron mithilfe eines „saisonalen Pavillons“. Dieser ist eine mobile Architektur, die immer wieder neue Fassadenkleider aus Naturmaterialien erhält. Damit prüft Susanne Brorson mit ihren Studierenden an der Akademie der bildenden Künste Wien, ob nachwachsende Rohstoffe sich für Bauzwecke eignen und aktiviert dazu viele andere Menschen an den jeweiligen Stationen.
Entstanden ist die Idee im Rahmen eines Planungsvorgangs, der sich DesignBuild nennt. Dazu werden alle Entscheidungen im Team getroffen – hier waren es Studierende der UniRomaTRE (Rom, Italien). Anlässlich des Kunstfestes an der Deutschen Akademie der Villa Massimo in Rom erhielt die modulare Struktur ein erstes „Sommerkleid“. Vor dort aus ging er auf Reisen – von Rom über Rügen, nach Riga und Stuttgart. In Stuttgart wurde er in der Weissenhofsiedlung ausgestellt. Diese wurde 1927 unter der Leitung von Ludwig Mies van der Rohe von führenden Vertretern des Neuen Bauens errichtet, teilweise unter Verwendung experimenteller Materialien. Zusammen mit Studierenden des Karlsruher Instituts für Technologie der Universität (KIT) erhielt er dort ein Fassadenkleid aus verwebten Gräsern von wiedervernässten Flächen im Alpenvorland. Ein weiterer Stopp bei der Stiftung Kunst und Natur in Nantesbuch sicherte dem Pavillon im Herbst einen Platz mit Blick auf die Zugspitze, wo er ein wärmeres Winterkleid aus Binsen und Seggengräsern erhielt.
Nun ist die offene Holzkonstruktion wieder auf Rügen angekommen. Zum diesjährigen Festival „Women in Architecture“ WIA wird der „saisonale Salon“ im Mai Austragungsort eines Workshops mit Studierenden des Baltic Bioregional Entwurfsstudios der Akademie der bildenden Künste Wien, wo Susanne Brorson als Professorin tätig ist. Gemeinsam werden sie für den Pavillon ein Frühlingskleid aus Reet herstellen – und dabei mit einem Rohrdachdecker von der Insel zusammenarbeiten. Zusammen mit den Wiener Studierenden geht der Pavillon anschließend an Bord einer Ostseefähre, um nach Riga weiterzureisen, wo schon der nächste „saisonale Salon“ wartet.
Susanne Brorson wurde in Stralsund geboren und hat 2004 an der Bauhaus Universität Weimar ihr Diplom erlangt. Nachdem sie in anerkannten Architekturbüros in Oslo, London, Amsterdam und Berlin gearbeitet hatte, gründete sie das mehrfach ausgezeichnete Susanne Brorson Studio auf Rügen. Mit ihrem Team arbeitet untersucht sie klima- und generationsfreundliche Architekturkonzepte. Ihr Eco-Village in Streu bei Bergen erhielt den Deutschen Design Award 2022 in der Kategorie „Excellent Architecture, Eco Design“ und wurde mit dem BDA-Preis 2024 des Bundes Deutscher Architekten ausgezeichnet. Aktuell ist sie Gastprofessorin an der Akademie der bildenden Künste in Wien.