Ostseewind und digitale Räume

Rüganerin erhält Rostocker Kunstpreis für Videokunst

Laura Schöning wurde 1998 in Bergen auf Rügen geboren und studiert seit 2022 Bildende Kunst am Caspar-David-Friedrich-Institut der Universität Greifswald. In Ihrer Arbeit setzt sie sich mit Erinnerung und Geschichte, der Isolation in der DDR, der Flucht über die Ostsee, Care-Arbeit und künstlicher Intelligenz auseinander. Soeben erhielt sie den mit 10.000 Euro dotierten Rostocker Kunstpreis 2024. Ihre mehrteilige Videoinstallation überzeugte die Jury mit der gesellschaftlichen Relevanz und der konzeptuellen Tiefe ihrer Arbeit.

Laura, du hast die ersten 18 Jahre deines Lebens auf Rügen verbracht, darum freut es mich ganz besonders mit dir über deine künstlerische Arbeit zu sprechen. Es gibt ja nicht so viele Möglichkeiten in Mecklenburg-Vorpommern und besonders im Nordosten Anregungen für eine Laufbahn als Künstlerin zu erhalten.

Ja, ich bin auf der Insel Rügen aufgewachsen. Mit ganz viel Wind und langen Spaziergängen am Strand oder im Wald. Das Aufwachsen in der Provinz hat dann bei mir eher dazu geführt, dass ich mich als Teenager viel im Internet aufgehalten habe und mir dann in den digitalen Räumen zum Beispiel Bildbearbeitung und Filmschnitt selbst beigebracht habe.
Wir haben uns im vergangenen Jahr zur Ausstellung FIAT 500 in der Galerie Circus Eins kennengelernt. Noch als Teenager hast du die The Coop Galerie in Bergen besucht. Doch was hat dich so geprägt, dass du Künstlerin werden wolltest?
Fotografieren und Filmen haben mir immer Ruhe gegeben und mein Herz ein wenig geordnet. Aber gerade als heranwachsende Person habe ich auf Rügen nach Orten gesucht, wo ich mit einem kreativen Mindset hinpasse, mich wohl und verstanden fühle. Das ist ja jetzt auch schon etwas her, aber ich erinnere mich vor allem an zwei prägende Orte: das La Grange e.V. in Bergen, dort haben wir unter Anleitung von Björn Hinze in einem analogen Fotokurs mit selbstgebauten Lochbildkameras experimentiert. Und später dann ein Kurs in analoger Fotografie von Harald Hansen an der Jugendkunstschule in Stralsund.

Das La Grange war für viele Menschen ein wirklich freier Ort, an dem sie sich ausprobieren konnten, nicht nur zu den Workshops, sondern immer, wenn dort etwas los war. Das wird oft unterschätzt, wie wichtig solche subkulturellen Freiräume gerade für junge Menschen sind. Du hast ja zuerst Szenische Künste in Hildesheim studiert, doch dich dann für Greifswald entschieden.

Ich hatte während des Studiums in Greifswald oft das Gefühl, dass es hier für mich genügend Raum gibt. Auf der einen Seite ganz praktisch, dadurch dass große Ateliers zur Verfügung stehen und die Werkstattsituationen sehr luxuriös sind. An anderen Universitäten müsste ich zum Beispiel kurze Timeslots für die Arbeit im Fotolabor buchen. Und ich kann hier jederzeit schnell in den Wald, ins Moor und an den Strand kommen. Die Möglichkeit des Rückzugs hilft mir beim Denken. Auf der anderen Seite aber auch im persönlichen Kontakt mit den Dozierenden und anderen Studierenden. Durch die überschaubare Anzahl an Masterstudierenden kommt man viel eher in den Austausch und kann dann konkrete künstlerische Fragen besprechen.

Der 18. Rostocker Kunstpreis wurde 2024 das erste Mal für Videokunst ausgeschrieben und es war schon klar, dass sich dort Studierende aus Greifswald bewerben würden, weil die Medienkunst dort einen Schwerpunkt darstellt. War es nicht dennoch sehr überraschend, dass du den Preis erhalten hast?

Ich habe mich schon total geehrt gefühlt, dass ich als eine von vier Medienkünstlerinnen in den schönen Räumen der Kunsthalle ausstellen darf. Den Rest konnte ich nicht absehen, denn bei solchen Wettbewerb- und Preisentscheidungen hängt es am Ende immer von der Jury ab. Ich wollte aber vor allem die mir bestmögliche Ausstellung erarbeiten, die für den Raum passt und die mir zu dem Zeitpunkt – mit all meinem Wissen, den verfügbaren Ressourcen und so weiter – möglich war. Mir war wichtig, dass ich selbst möglichst zufrieden mit meiner Ausstellung bin und spannende künstlerische Fragen an das Publikum stellen kann.

Hat es für deine Arbeitssituation etwas verändert? Ein finanzielles Polster ist ja immer gut, doch es gibt auch viel öffentlich Aufmerksamkeit und wie ich hörte auch einen Ankauf durch die Provinzial Versicherung?

Zunächst fühle ich mich entspannt, weil finanzielle Unterstützung für Künstlerinnen immer bedeutet, dass sie sich für eine begrenzte Zeit auf die künstlerisch Arbeit konzentrieren können und weniger sonstige Lohnarbeit machen müssen. Außerdem ist so eine Auszeichnung aber auch eine Bestätigung, dass ich gerade den richtigen Weg gehe. Annemarie Selleng hat zu mir gesagt: „Eigentlich ist es ja eine Beförderung, bloß dass sie in der Öffentlichkeit stattfindet.“ Ich freue mich auch darüber, dass eine der in Rostock gezeigten Arbeiten in die Sammlung der Provinzial übergehen soll. In dem Zusammenhang wird es auch eine kleine Ausstellung in Kiel geben.

Den Schwerpunkt deiner Installation in der Kunsthalle Rostock hat deine Arbeit zum Thema Flucht aus der DDR gebildet. Das berührt viele Menschen, weil sie es mit eigenen Erinnerungen verknüpfen können und es irgendwie zur mentalen Kulturgeschichte an der Ostseeküsten gehört. Was hast du noch gezeigt und welche Themen wurden berührt?

In der Ausstellung habe ich drei Videoinstallationen gezeigt: „Ast 1 – 3“, „DDR Schlauchboot SB8 komplett“ und „DAYS OFF“, die sich dann im Ausstellungsraum zu größeren Fragestellungen verbinden: Wer entscheidet, was für die Nachwelt aufbewahrt wird? Wie entsteht kollektive Erinnerung? Wie werden Erinnerungen durch technische Filter transformiert?

Erinnerung ist ein zentrales Thema deiner künstlerischen Arbeit, darum scheint es mir folgerichtig, dass du Fotografie und Video mit analogen Objekten kombinierst.

Ich denke, es ist wichtig, dass in der künstlerischen Auseinandersetzung mit Vergangenheit und Zukunft immer Räume für Fantasie entstehen können. Das zu schaffen, nehme ich mir vor. Deshalb kombiniere ich gefundenes Bildmaterial aus digitalen und analogen Fundus mit eigenen Aufnahmen zu experimentellen Archiven, in denen meine zeitgeschichtlichen Recherchen und meine Vorstellungen von Kunst in neuen Bildwelten zusammenkommen. So entstehen hoffentlich neue Perspektiven auf z.B. nahe Vergangenheit wie DDR-Fluchtgeschichte und ich wünsche mir, dass meine Arbeiten ungeahnte Gespräche auslösen können.

Zum Abschluss eine Frage an deine Zukunft, welche Wünsche hast du?

Ausstellungen, Ausstellungen, Ausstellungen! Ich wünsche mir weiterhin als Künstlerin so frei wie möglich arbeiten und denken können. Neugierig und gleichzeitig kritisch bleiben. Ich möchte weiterhin ganz viel wachsen, wie eine Sonnenblume – dem Himmel entgegen.

Vielen Dank!

Das Gespräch führte Susanne Burmester

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