Bismarckhering oder Pfefferlappen?

Im Fischhandel Rasmus wird Feinkost nach geheimen Rezepten hergestellt

Im Herzen der UNESCO-Welterbestadt Stralsund befindet sich eines der traditionsreichsten Fischgeschäfte der Region: Fischhandel Rasmus. In der hauseigenen Manufaktur über dem Lädchen wird Fischfeinkost nach geheimen Originalrezepten hergestellt. Dazu gehört beispielsweise der Original Stralsunder Bismarckhering. Dem Stralsunder Henry Rasmus ist es zu verdanken, dass der Original Stralsunder Bismarckhering auch heute noch in der Hansestadt zu Hause ist. Im Jahr 2001 kam er über eine Ur-Enkelin des Bismarckhering-Erfinders Johann Wiechmann an das Rezept für den Original Stralsunder Bismarckhering. Damit holte er ein Stück Stralsunder Kulturgut wieder zurück in seine Heimat.

Henry Rasmus gründete vor rund 25 Jahren den Fischhandel nebst Räucherei in der Heilgeiststraße 10. Seit einem Jahr wird er von Mathias Schilling weitergeführt, ein auf der winzigen Insel Öhe lebender Landwirt und Gastwirt, der bereits erfolgreich mehrere Gasthäuser und Läden in Schaprode und auf der Insel Hiddensee betreibt – und seit Februar 2021 auch in Stralsund. Für sein Engagement wurde er 2019 mit dem Unternehmerpreis des Landes Mecklenburg-Vorpommern geehrt. Im vergangenen Jahr hat er M-V als Einheitsbotschafter vertreten. „Bismarckhering gibt es überall, aber den nach dem Originalrezept nur im Fischhandel Rasmus“, ist Mathias Schilling stolz. Da die Original-Urkunde von Otto von Bismarck leider im 2. Weltkrieg verloren ging, schickte Henry Rasmus ein Fass des Original Stralsunder Bismarckherings an die heutigen Familienmitglieder der Familie von Bismarck. Diese bat er um das Privileg, seinen eingelegten Hering nach Wiechmanns Originalrezept weiterhin als Bismarckhering bezeichnen zu dürfen. Sie kosteten und bestätigten ihm, dass er seinen Fisch weiterhin Bismarckhering nennen dürfe: „Ihre nach dem Originalrezept zart eingelegten Bismarckheringen haben den Mitgliedern unserer Familie anlässlich des heutigen Treffens vorzüglich geschmeckt. Wohl ebenso gut, wie 1871 dem Fürsten Otto von Bismarck …
Wir bestätigen Ihnen gerne, dass Sie auch nach unserer Überprüfung berechtigt sind, als Nachfolger von Johann Wiechmann die Entstehung des Namens ‚Bismarckhering‘ für Ihre Firma zu beanspruchen.“

Damals wie heute findet der marinierte Hering aus Stralsund Anklang im politischen Berlin. In den letzten Jahrzehnten brachte vor allem die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel ihre Staatsgäste gerne in die Hansestadt, zum Beispiel George W. Bush, das Norwegische Kronprinzenpaar und Francoise Hollande. So ist der Hering immer noch ein politischer Fisch. Fotos und Zeitungsausschnitte, die strahlende Persönlichkeiten mit Kisten und Fässer von Fisch Rasmus zeigen, zeugen in den drei Schaufenstern von den Besuchen.

Ein Ausflug in die Geschichte des Herings. Eins vorweg: Ohne diesen Fisch gäbe es Stralsund in seiner heutigen Form nicht.
Hering war neben Getreide und Holz der wichtigste Exportartikel der Hansestädte. Mit der Christianisierung Nordeuropas wurde der Hering populär: Er war Fastenspeise und wurde von der Küste bis weit ins Landesinnere exportiert. Dazu musste er haltbar gemacht werden: Er wurde in Salzlake eingelegt (Salzhering). Dank der Salzvorkommen in Lüneburg konnte das weiße Gold auf der Salzstraße in ganz Norddeutschland verteilt werden. Die Hansestädte waren somit unabhängig in ihrer Produktion von Salzhering. Ab 1370 hatte die Hanse das Heringsmonopol. Die Hansestädte, die nicht direkt an den Heringsrouten lagen, bauten sogenannte Witten auf (Niederlassung einer Hansestadt im Ausland zur Verarbeitung von Fisch). Anders als andere Hansestädte, die solche Witten auf der dänischen Halbinsel Schonen anlegten, hatte Stralsund seine eigenen Anlandeplätze. Rund um die Insel Rügen war das Heringsaufkommen in der Ostsee besonders stark. Vitte auf Hiddensee und Vitt im Norden Rügens sind die beiden Orte, an denen Stralsund seinen Hering fischte. Der Hering wurde von dort auf der sogenannten Heringsstraße nach Stralsund transportiert und von dort exportiert.

Im 18. Jahrhundert wurde in Deutschland eine neue Art der Konservierung erfunden: die Marinade. Der Hering kommt in eine Mischung aus Gewürzen und Essig (oder anderen bakterientötenden Säuren), was ihn wohlschmeckender macht als den Salzhering. Auch in Stralsund entstanden zu dieser Zeit eigene Rezepte, wie das der Familie Wiechmann. Johann Wiechmann war ein Stralsunder Braumeister und Kaufmann. 1853 hatte er einen Materialhandel mit Schankraum am Neuen Markt. Im Hinterhof fertigte seine Frau Karoline eine ganz besondere Heringsspezialität nach ihrem eigenen Rezept. Mit steigenden Umsätzen baute er in der Fährstraße 21 später eine Fischkonservenfabrik auf, die den Beginn der fischverarbeitenden Industrie an der deutschen Ostseeküste begründete. Aus der Heringsspezialität, die seine Frau zunächst im Hinterhof produzierte, wurde 1871 der berühmte Original Stralsunder Bismarckhering als Johann Wiechmann ein Fass seiner Spezialität an den frischgebackenen Reichskanzler schickte und ihn bat, diesen nach ihm benennen zu dürfen.

Eine weitere Spezialität aus dem Hause Rasmus ist der Hiddenseer Pfefferlappen. Der Name ist noch recht jung. Das Rezept, nach dem die scharfen Heringsfilets eingelegt werden, existiert dafür schon umso länger. Seit dem 16. Jahrhundert wird es in den Hiddenseer Familien von Generation zu Generation weitergegeben, ist aber inzwischen fast in Vergessenheit geraten. Zum Glück hat es das Rezept über die alte Heringsstraße von der Insel Hiddensee bis nach Stralsund geschafft, sodass der Original Hiddenseer Pfefferlappen nach einem geheimen Familienrezept hergestellt werden kann. Das Rezept wurde Henry Rasmus 2001 von einer alten Fischersfrau von der Insel Hiddensee übergeben. Ihr Wunsch war es, dass das Rezept nicht verloren geht. Seit dem wird der Original Hiddenseer Pfefferlappen in Stralsund produziert.
Der Hering, der in Stralsund verarbeitet wird, stammt aus dem Ostseeraum. Mathias Schilling selbst ist auch Initiator des Vereins „Hiddenseer Kutterfisch“. So kauft er einhei­mischen Fischern ihren Fang für mehr Geld ab, ein Teil des Gewinns fließt in die Vereinskasse. Auf diese Weise soll das Kulturgut, die traditionelle Kutter- und Küstenfischerei, unterstützt werden. Der Fisch der Hiddenseer Fischer landet ausschließlich in Dosen. „Die Quoten reichen dafür gerade noch so aus. Auch nur, weil die Stellnetz-Fischerei nicht vom Fangverbot betroffen ist und wir uns Quoten ertauscht haben. Hier wird es aber eine deutliche Verknappung des Angebotes geben“, informiert der Unternehmer. Das Angebot bei Fisch Rasmus ist davon nicht betroffen.
Montag bis Freitag wird im Hause Rasmus von Hand entschuppt, filetiert und geräuchert, Salate geschnippelt und geraspelt, aber auch Soßen für Fischbrötchen hergestellt. Und wenn die Tür um 10 Uhr geöffnet wird, dann warten bereits die ersten Kunden vor dem historischen Gebäude mit dem Anker und dem weißen Schriftzug Fischhandel H. Rasmus. Im Verkaufstresen liegt frischer Fisch neben Räucherfisch, Fischsalaten und Fischbrötchen. Den passenden Wein gibt es gleich dazu, ebenso Fischkonserven und ausgewählte maritime Literatur. An den Wänden hängen Fischerporträts und Urkunden. Mathias Schilling ist stolz darauf, das traditionsreichste Fischfeinkostgeschäft Stralsund weiterführen zu dürfen – und er hat noch weitere Pläne. So soll es auch bald in der Heilgeiststraße an anderer Stelle Käse aus der Region sowie die beliebten Salamis und Wurstgläser vom Salzwiesenfleisch seiner Öhe-Rinder und Schnucken geben.

Wer nicht persönlich im Stralsunder Fischhandel vorbeischauen kann, um sich mit Stralsunder Bismarckhering, Hiddenseer Pfefferlappen und Gabelrollmops zu bevorraten, kann sich beliefern lassen: Tel.: 03831/281538 oder fischhandel-rasmus.de
Erhältlich sind die Fischspezialitäten in Holzkisten und in dekorativen Fässern. Die Konserven gibt es unter www.hiddenseer-kutterfisch.de

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